Schuldig oder unschuldig?
Deutschgrundkurse schlüpfen beim Theaterbesuch in die Rolle der Schöffen
In seinem ersten Theaterstück stellt Ferdinand von Schirach die Frage nach der Würde des Menschen, indem er verschiedene Menschenleben gegeneinander abwiegt – dies am Beispiel des Majoren Lars Koch. Jener Pilot eines Kampfjets der Bundeswehr musste eine Entscheidung treffen, nämlich ob er durch ein gezieltes Eingreifen absichtlich 164 Passagiere in einem von Terrorristen entführten Flugzeug tötet oder aber ein schlimmeres Unglück in einem Fußballstadion mit tausenden weiteren Todesopfern zulässt… Der anschließende Gerichtsprozess zur getroffenen Entscheidung stellt den Inhalt des Theaterstücks dar.
In über 100 Theatern steht jenes Stück „Terror“ von Ferdinand von Schirach auf dem Spielplan und wird mittlerweile auf allen Kontinenten der Welt aufgeführt. Es wurde 2015 in Berlin und Frankfurt erstmalig präsentiert und von zahlreichen Medien positiv bewertet – so bezeichnete unter anderem Deutschlandradio Kultur das Stück als Anstiftung zum moralischen Diskurs, die Deutsche Bühne beschrieb das Werk mit dem Adjektiv bemerkenswert und die Nordwest-Zeitung hielt euphorisiert fest, dass es sich bei „Terror“ nicht um ein Stück, sondern um ein Ereignis handele.
Ein besonderes Ereignis war der Besuch des Justizdramas auch für die beiden Deutschgrundkurse der zwölften Jahrgangsstufe der Gymnasialen Oberstufe. Mit ihren beiden Deutschlehrerinnen Frau Kreutzer und Frau Smolarski ging es ins Theater „Der Keller“ nach Köln, um sich jenes Drama nach der Beschäftigung mit der Lektüre im Deutschunterricht aus einer anderen Perspektive anzuschauen.
Das aktive Zuschauen des Stücks „Terror“, bei dem Heinz Simon Keller Regie führt, als Schöffe beschreibt Schülerin Jana Göbbels rückblickend wie folgt:
Uns als Klasse hat das ganze Dilemma sehr gut gefallen. Wir Zuschauer waren im Fall Lars Koch die Schöffen – diejenigen, die sich schlussendlich für ein Urteil, schuldig oder unschuldig, entscheiden mussten. Die Schauspieler waren sehr authentisch und haben das ganze Publikum unterhalten. Wir Schüler waren hin- und hergerissen, ob Lars Koch nun schuldig sei oder nicht. Auch wenn die Entscheidung schwerer fiel als gedacht, stimmten im Endeffekt die meisten von uns für unschuldig.
Dem positiven Resümee schließt sich die begleitende Lehrerin Frau Smolarski an:
Der Theaterbesuch war eine bereichernde Erfahrung für unseren Grundkurs Deutsch. „Terror“ von Ferdinand von Schirach nicht nur zu lesen, sondern es in seiner eigentlichen Form als Aufführung zu erleben, hat noch einmal ganz neue Blickwinkel auf das Stück eröffnet, denn so konnten sich die Schülerinnen und Schüler tiefer in die Handlung und die Charaktere hineinversetzen. Durch die tolle schauspielerische Leistung der Darsteller in einem vergleichsweise kleinen Theater entstand tatsächlich das Gefühl, als säße man als Schöffe in einem Gerichtssaal.
Angeregte Gespräche und Diskussionen auf der Rückfahrt sowie im weiteren Unterrichtsgeschehen bestätigten die positive Wirkung des Theaterbesuchs. Dies unterstreicht Schülerin Jana Göbbels ebenfalls, indem sie ausführt, dass solche außerschulischen Aktivitäten sinnvoll seien, um den Schüler:innen den Mehrwert einer Lektüre näher zu bringen und eine kritische und intensivere Auseinandersetzung zu ermöglichen.